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Von Giornico nach Cavagnago und über die “Strada alta“ nach Sobrio und Pollegio/ TI

 

Riesenkastanien und ein geschichtsträchtiger verschwundener Bergahorn

 
Im alten Dorfkern von Giornico nehmen wir den weiss-rot- weiss markierten Bergweg nach Cavagnago unter die Füsse. In ungezählten Kehren steigt der Weg an einem Wasserfall vorbei, dessen Tosen den Verkehrslärm für eine Zeitlang übertönt, an. Einen ersten Halt schalten wir bei einer alten Kastanie neben einem Bildstöcklein ein. Immer noch schön ansteigend erreichen wir mit den letzten Kehren das Riesenkastaniengebiet. Vier alte Bäume begleiten uns bergwärts und geben uns einen „Vor-Blick“, was uns noch an mächtigen alten Baum-Monumenten erwartet. Wenn wir die Wiese erreicht haben, folgen wir dem Fahrweg Richtung Dorf. In der letzten Kehre, versteckt am Abhang und hinter ein paar Birken stehen zwei Riesenkastanien. Nach der Bachbrücke haben wir an erhöhter Stelle von einer Bank aus einen schönen Ausblick auf Cavagnago und die gegenüberliegenden Berge der mittleren Leventina.

Nachher queren wir auf der „Strada alta“, dem bekannten Höhenweg am Sonnenhang der Leventina, auf einem guten Weg ein Waldstück und zwei Bachtobel. Kommen wir auf Hartbelag, ist der Weiler Ronzano nicht mehr weit. Zwischen Ronzano und Sobrio steht auf der grünen Wiese die alte Kirche San Lorenzo. Zwischen Pfarrhaus und Kirche, an doch enger Stelle, wuchs bis vor einigen Jahren einer der bekanntesten Bergahorne der Schweiz.

Nach der Erzählung wurde der Baum vor der Schlacht bei Giornico am 28. Dezember 1478 von einem Bauern gepflanzt. An die 200 Luzerner, Urner, Schwyzer und Zürcher zusammen mit etwa 400 Leventinern besiegten in der Schlacht „ dei Sassi grossi“ (was Aufschluss über die Mittel der Kriegsführung ergibt) eine 20-fache Übermacht von Mailändern. Für über drei Jahrhunderte wurde das Livinental danach wieder urnerisch. In Sobrio verdankt man dem Baum das Sprichwort „N`à sott a l`airu“, „unter den Ahorn gehen“, was soviel bedeutet wie: Sterben und unter seinem Schatten auf dem nahen Friedhof begraben werden.

Vor einigen Jahren musste man leider feststellen, dass der eindrückliche Baum krank war und die Gefahr bestand, dass er bei einem Sturm auseinanderbrechen könnte. So wurde er im Dezember 2006 –der Legende nach wäre er 428 Jahre alt geworden- gefällt. Heute erinnert ein Baumstumpf noch an dieses Monument.

Durch enge Tessiner Gässlein, vorbei an alten Holzhäusern kommen wir ins Dorfzentrum mit der Postautohaltestelle und dem Restaurant Ambrogino.

Unser nächstes Ziel am Höhenweg ist Bidre. Auf dem Wanderweg kommen wir danach an einer gemauerten Grube, der Bärengrube, vorbei. Durch ein wildes Waldgebiet geht’s weiter und wir verlassen gleich nach Überqueren eines Bächleins den Weg nach rechts. Beim (Ferien-) Haus folgen wir der Strasse abwärts. Sicher ein halbes Dutzend Riesenkastanien begleitet uns. Die zwei eindrücklichsten finden wir weiter unten oberhalb der Brücke am Bach. Der obere Baum ist hohl, der untere hat ein beeindruckendes Wurzel-Stamm-Gebilde aufgebaut. Bei den ersten Häusern von Bitanengo machen wir einen kurzen Abstecher zu den Riesenkastanien von Bidesco. Gut ein halbes Dutzend und ein paar riesige Stümpfe von ihnen beeindrucken hier.
Zurück in Bitanengo wählen wir die Fahrstrasse hinauf nach Diganengo. Jetzt sind wir wieder auf dem Wanderweg. Beim ersten Haus steht etwas erhöht hinter einer Wiese eine der dicksten Riesenkastanien auf unserer Wanderung. Weiter auf dem Höhenweg bei Pt. 953 machen wir einen Abstecher nach Conzanengo. Neben einem Haus bei der Kapelle dort entdecken wir eine Riesenkastanie, deren Wurzeln über einen Felsblock gewachsen sind. Auch das ist ein kräftiger, gewaltiger Baum. Durch den Weiler Conzanengo wandern wir weiter, begegnen weitern Riesenkastanien und kommen dann auf eine Teerstrasse. Der weitere Abstieg ist uns verwehrt, weil der Pfad gesperrt ist. Also folgen wir der Fahrstrasse mässig aufwärts zurück –vielleicht 10 Minuten- bis wir wieder auf das Schild „Corecco, Pollegio“ treffen. Der Umweg lohnt sich aber bestimmt!

Jetzt immer abwärts treffen wir kurz vor Corecco nochmals auf eine bemooste äusserst eindrückliche Riesenkastanie. Nach dem Weiler liegen zwei verfallende Baumungetüme, beide mit einem Durchmesser von über zwei Metern, am Boden. Im Wald mit den (noch intakten) alten Bäumen sehen diese zwei Stämme wie die angeschwemmten Leiber von (ehemals) riesigen Tieren aus. Immer wieder treffen wir auf Riesenkastanien. Vor Pollegio werden sie seltener – der Verkehrslärm grösser. Vor der letzten grossen Wegkurve (ca. 500 m ü. M.) treffen wir nochmals auf ein von Feuer geschwärztes hohles Überbleibsel eines Stammes, wenig dahinter wachsen armdicke Stämme ins Licht und profitieren vom Zerfall ihres Vor-„stehers“. Steil geht’s dann hinunter nach Pollegio.

Wie hin?
-Mit dem Zug nach Faido (Schnellzugshalt), Fahrplanfeld 600
-Von Faido mit dem Bus nach Giornico, Fahrplanfeld 62.191

Wie zurück?
-Mit dem Bus von Pollegio nach Faido bzw. Biasca, beides Schnellzugshalte. Fahrplanfeld 62.191

Wie lange?
-Von Giornico, 391 m ü.M. nach Cavagnago, 1020 m ü.M. 1 Std. 15 Min.
-von Cavagnago nach Sobrio, Kirche San Lorenzo, 1090 m ü.M. 30 Min.
-von Sobrio, 1130 m ü.M. über Bidre, 1032 m ü.M., Bitanengo, 918 m ü.M., Abstecher nach Bidesco, 881 m ü.M. nach Diganengo, 964 m ü.M. 1 Std.
-von Diganengo nach Conzanengo, 952 m ü.M. , wieder ein Stück zurück und hinunter nach Corecco, 794 m ü.M. 45 Min.
-von Corecco nach Pollegio, 298 m ü.M. 40 Min.

Kartenmaterial:
LK 1: 25 000 Biasca, Nr. 1273

Die Standorte der Riesenkastanien in Cavagnago, Bitanengo und Diganengo entnahm ich dem „Inventar der Riesenkastanien im Kanton Tessin und Misox“. Herzlichen Dank an die Eidg. Forschungsanstalt WSL, Sottostazione Sud delle Alpi in Bellinzona, für ihr Entgegenkommen.

Denken Sie unterwegs daran, dass die meisten der beschriebenen Riesenkastanien in Privatbesitz sind. Auch der alte Baum verdient Respekt, klettern Sie nicht am Stamm herum und steigen Sie nicht in die Hohlräume.

Die Angaben zum verschwundenen Bergahorn bei der Kirche San Lorenzo in Sobrio verdanke ich der „aass“, der „Assoziazione Attinenti e Sympatizzanti di Sobrio“. Herzlichen Dank!
 

 















 
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