Alter Buchenwald und Riesenkastanien
Die Bushaltestelle Lodano, vorne an der Maggia, ist 5 Minuten vom Dorf entfernt, das sich am Talrand befindet. Durch den alten Dorfkern steigen wir rasch an auf dem weiss/rot/weiss markierten Bergweg, der durch Kastanienwald auf zum Teil kunstvoll angelegten Treppenstufen führt. Der Weg wechselt dann bald nach einem Aussichtspunkt auf den Nordhang. Am Schluchtrand geht’s ins Tal hinein; der Kastanienwald wechselt zu (Rot-)Buchenwald und erste dicke Bäume fallen uns auf. Wir sind im Naturwaldreservat angelangt. Nach einem Halt bei der Kapelle del Pedro weiter talaufwärts tritt der Verkehrslärm aus dem Maggiatal zurück, das Rauschen des Flusses, des Rio di Lodano, ist nurmehr zu hören. Bei Castello, einem Weiler unterwegs, überqueren wir den Fluss. Hier hat sich ein Auenwald mit Erlen, Pappeln und Weiden ausgebreitet. Wir steigen noch weiter auf dem Bergweg Richtung Canaa zu den schönsten und beeindruckendsten Buchen des Tales. Es lohnt sich, den Weg zu machen bis Pt. 1047, dem Einschnitt des Val di Ronsgiaa. Schon kurz nach Castello treffen wir die Riesenbäume mit enormem Wurzelwerk, grossflächigen Wurzeltellern, die am Hang Halt suchen. Wir treffen Stämme mit aufgerissener Rinde, überdeckt mit Auswüchsen; es sind Bäume, gekennzeichnet von Wind und Wetter, vielleicht 150, vielleicht auch 200 Jahre alt. Die Buche ist ein Schattholz, junge Bäume können Jahrzehnte im Unterholz auf eine Lücke im Kronendach warten, um dann mit etwas Licht das Startsignal zum Wachsen zu bekommen. Kein Kraut wächst am Boden. Im Dezember und im März war ich hier, unbelaubt kahle Baumhallen traf ich bis jetzt an. Ich bin sehr gespannt, wie es hier im Sommer aussieht, wenn die Bäume grün sind. Dürres Laub liegt an vielen Stellen bis einen halben Meter hoch und es ist ungewöhnlich und weckte Kindheitserinnerungen, sich seinen Weg hindurch zu pflügen.
Für den Rückweg von Castello wieder hinunter nach Lodano wählen wir den Weg über Canigee und Solada. Nach Queren eines Seitentals merken wir den Wechsel: die Buchen treten zurück, der Hang ist mehr der Sonne zugewandt, Kastanienwald nimmt überhand: Das Buchenlaub und die Bucheckern am Boden wechseln zu Kastanienschalen und –blättern. Eine erste mächtige Kastanie zeigt die Siedlung Canigee an. Weitere Riesen stehen oberhalb des Weges in der heute mit Birken durchsetzten ehemaligen Selve, dem Kastanienhain in der Nähe der Häuser, wo die Bäume über Jahrhunderte gepflegt wurden. Einige bestehen nur noch aus verdorrtem Hauptstamm; manchmal gruppieren sich junge Kastanien um verzwurgelt wilde Stammreste. Die Riesenkastanien zeigen sich oft nicht als „Schönheitsköniginnen“, voll Kraft und in vollkommener Form, sondern als tote, verfallende Bäume, die uns daran erinnern, dass etwas Endliches, Totes, entgegen einer heute weitverbreiteten ästhetischen Haltung, auch (wunder)schön sein kann. Nach dem Aussichtspunkt Sola geht der Weg in Kehren hinunter nach Solada. Gleich nach dieser Siedlung treffen wir auf viele abgestorbene Riesenkastanien. Sie begleiten uns bis hinunter nach Ronchi, von wo der Weg nicht mehr weit ist zu unserem Ausgangspunkt.
Wie hin?
Mit dem Zug nach Locarno, umsteigen in Bellinzona, Fahrplanfelder 600 und 632
Mit dem Bus nach Lodano, Valle Maggia, Fahrplanfeld 62.315, stündliche Verbindungen.
Wie zurück?
Wie bei der Anfahrt.
Wie lange?
( Bushaltestelle Lodano – Lodano 5 Min.) Lodano, 341 m ü.M. – Kapelle del Pedro, 725 m ü.M. - Castello, 804 m ü.M. 1 Std. 20 Min.
Abstecher zu den Riesenbuchen bis Pt. 1047 1 Std. für hin und zurück.
Rückweg: Castello – Canigee, 785 m ü.M. – Sola, 927 m ü.M. – Solada, 689 m ü.M. – Ronchi, 389 m ü.M. – Lodano 1 Std. 30 Min.
Bei Nässe ist der Weg nicht zu empfehlen; nasses Laub! Trittsicherheit ist nötig bei mässig ausgesetzter Stelle vor Castello.
Kartenmaterial:
LK 1:25 000 Maggia, Nr. 1292; der südl. Teil des Valle di Lodano auf Blatt Locarno, Nr. 1312
Im Dezember 2016 hat der Bundesrat eine Liste für zukünftige Kandidaturen der UNESCO-Welterbestätten gutgeheissen. Die Buchenwälder im Valle di Lodano und auf dem Bettlachstock/SO, beide sind heute schon Naturwaldreservate, sollen neben alten Buchen-Wäldern in Deutschland und in den Karpaten (Slowakei und Ukraine) als Welt-Naturerbe kandidieren.
Ausführliche Infos, auch zu weiteren Wanderungen, und weitere interessante Themen, wie zur Nutzung des Waldes und der Alpen, sowie –falls jemand eine zweitägige Tour plant- zur Übernachtungsmöglichkeit in der Berghütte auf der Alp Canaa unter www.valledilodano.ch
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