Valle di Moleno / TI
Riesenkastanien, Buchen und die Tannen auf der Alpe di Gariss in einem wenig begangenen Seitental des Tessins„Was, hier hinauf? Wie kommen wir da hinauf?“ Wir stehen neben der Kirche auf dem Dorfplatz der kleinen Ortschaft Moleno in der Tessiner Riviera und schauen Richtung Valle: Links eine Schlucht, rechts ein Hang, bewaldet, elend steil, darüber lässt sich ein Taleinschnitt erahnen! Es gibt nur eine Richtung: In unzähligen Kehren führt der rot-weiss-rot markierte Bergweg aufwärts. Je höher wir steigen, desto dicker werden die Kastanien. Zum ersten Mal treffen wir die „richtigen“ Riesen in der Nähe zweier verlassener Gebäude, die von der ehemaligen Bewirtschaftung der Geländeterrasse zeugen. Die z.T. hohlen, verzwurgelten, z.T. abgestorbenen Riesen stehen heute in dichtem Wald, von der früher gepflegten Selve, dem Kastanienhain, ist nicht mehr viel zu sehen. Bei der Abzweigung nach Vacaresca steigen wir vorbei, immer noch bergauf, bei der Abzweigung nach Monte Gaggio geht’s ins Tal hinein. Auch hier muss gesiedelt worden sein, wir treffen auf ein gutes halbes Dutzend Riesenkastanien. Die treffen wir auch bei der folgenden Abzweigung, die hinauf nach Bolgri führt. Kommen wir weiter ins Tal hinein, nimmt das Rauschen des Riale überhand, der Lärm vom Tal herauf ebbt ab. Die dickste Riesenkastanie des Tals finden wir beim Queren des Bergsturzgebiets oberhalb der auf einer Sonnenterrasse gelegenen Siedlung Monti di Valle. Der Baum ist aber so zurechtgestutzt, dass von seiner früheren Mächtigkeit nicht mehr viel zu sehen ist. Gehen wir weiter talaufwärts, wird das Rauschen des Cascata, des Wasserfalls, deutlicher hörbar. In drei Wasserfällen stürzt das Wasser des Riale Moleno von der Alpe di Ripiano. In einem Bogen erreichen wir die Steinbrücke oberhalb der Fälle. Buchen lösen die Kastanie ab und sind jetzt die vorherrschende Baumart. Talaufwärts wandern wir weiter auf der orografisch rechten Seite bis zur Alpe di Lai. Der Riale überrascht uns mit ein paar Becken grünen Wassers, die zu einer Erfrischung einladen. Wunderschön, aber eisig kalt! Kurz nach der Alpe di Lai stossen wir am Hang auf eine Gruppe von fünf riesigen Buchen. Die hellen Stämme, wenig mit Moos bedeckt, leuchten durchs Unterholz. Die dickste Buche hat einen Brusthöhenumfang von 4.20 m. Wenn wir weiter aufsteigen, ändert die Vegetation, es kommen Lärchen und (Weiss-)Tannen dazu. Auf der Alpe di Gariss angekommen, öffnet sich vor uns der Talkessel und – was für ein Ankommen: die Lärchen stimmen sich auf Herbstfärbung ein, braun-rot leuchten die Buchen, die Felsen im hinteren Talabschluss sind Mitte Oktober schon verschneit, und majestätisch erheben sich in diesem Paradies die Tannen. Die dickste, auf die wir zuerst treffen, hat trotz eines abgesprengten Seitenstamms einen Brusthöhenumfang von 8.10 m. Drei weitere Riesen schaffen es auf einen BHU zwischen fünf und sechs Metern. Beeindruckende, wunderschöne Bäume sind das. Ich musste mich von diesem Ort losreissen, das „Bild“ auf dieser Alp war so stimmig, dass es mir ungemein schwerfiel, den Rückweg wieder anzutreten.
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